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„Abfallprodukte“ weisen in die Zukunft

„Abfallprodukte“ weisen in die Zukunft

Ökologie

Die Firmen Albnah und Holzbau Hepperle aus Neidlingen beteiligen sich an den Nachhaltigkeitstagen
Baden-Württemberg. Am Sonntag informieren sie über Wolljacken und Tiny-Häuser. Von Iris Häfner

Dieses Schaf liefert zwar keine Wolle, verdeutlicht aber als Hingucker das Zusammenspiel mit dem Holzbau. Die Familien Hepperle (links) und Rubens/Kirchner laden zum Austausch in die „Alte Kass“ ein. Foto: Carsten Riedl

Was haben Wolljacken und Tiny-Häuser aus Neidlingen gemeinsam? – Beide bestehen nahezu zu hundert Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen, die in oder nicht allzu weit weg vom Reußensteinort wachsen und gedeihen: Wolle und Holz. Deshalb beteiligen sich die zwei Firmen Holzbau Peter Hepperle und Albnah am Sonntag, 19. September, von 11 bis 17 Uhr an den Nachhaltigkeitstagen Baden-Württemberg. In und um die „AlteKass“ in der Neidlinger Gartenstraße 3 informieren die Firmeninhaber über ihre Produkte. „Wir dürfen sie an dem Tag nicht verkaufen, aber wir zeigen sie“, sagt Inga Rubens von Albnah.

Bis zur Wiese ist es von der Alten Kass nicht weit. Dort frisst sich ein kleiner Teil der Wollelieferanten durch die Streuobstwiesen in steiler Hanglage. Diese Schafe gehören Inga Rubens und ihrer Familie. Ihr Wuschelfell reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um all die Jacken und Decken von Albnah produzieren zu können. Der weitaus größere Teil der Rohstofflieferanten gehört dem Neidlinger Schäfer, der auf dem einstigen Truppenübungsplatz bei Münsingen seine Herde weidet. „Wir verarbeiten ein Abfallprodukt, das eh da – und gut – ist und veredeln es“, bringt Inga Rubens ihre Firmenphilosophie auf den Punkt. Die Kollektion wächst beständig. Aus feiner Merinowolle werden Jacken, Mäntel und Westen ebenso hergestellt wie Baby-Overalls oder Wolldecken. Auch Schaffelle bietet Albnah an. „Corona hat mit den Menschen etwas gemacht, viele wollen was verändern, das Thema Nachhaltigkeit und regionale Produkte haben einen Aufschwung bekommen“, konnte Simone Hepperle beobachten. Beide Familien wollen am Sonntag mit den Gästen ins Gespräch kommen und über die Produktionsprozesse sprechen – so denn Interesse besteht.

Sie hoffen auf Wanderer, die zufällig vorbeikommen, und auf Besucherinnen und Besucher, die gezielt in die Alte Kass kommen. „Wir wollen zeigen, dass wir nicht was völlig Abgefahrenes machen. Durch Albnah erfahre ich ständig was Neues. Das greift in viele Lebensbereiche ein. Wie konsequent möchte man sein, beispielsweise bei Knöpfen? Damit hört es aber noch lange nicht auf“, erklärt Inga Rubens. Sie kritisiert das „Greenwashing“, das es für kleine Firmen schwierig macht, sich hervorzuheben. „Nachhaltigkeit hat drei Säulen: Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Bei vielen steht jedoch die Ökonomie deutlich im Vordergrund“, so Inga Rubens. „Tiny-Häuser sind ideale Lückenfüller für sämtliche Brachflächen innerhalb von Ortschaften“, sagt Simone Hepperle. Sie hat dabei vor allem die „Enkelgrundstücke“ im Blick. Oftmals sind die Besitzer in die Jahre gekommen, können das Stückle nicht mehr pflegen, tun sich jedoch schwer damit, das erschlossene Grundstück zu verkaufen. „Es auf Zeit zu verpachten und dort ein
Tiny-Haus aufzustellen, wäre ein Zukunfts-Modell“, sagt sie.

Nichts wegwerfen

Mit nachwachsenden Rohstoffen kennt sich Familie Hepperle schon lange aus. Die Alte Kass ist beispielsweise mit Stroh gedämmt. Das wächst jedes Jahr aufs Neue nach – und ist ebenfalls ein Abfallprodukt. „Stroh gibt es bei den Landwirten in rauen Mengen. Es ist der ökologischste Rohstoff, den es gibt“, erklärt Peter Hepperle. Baustoffknappheit gibt es in dem Fall nicht, eher beim Holzbau. Deshalb hat sich Sohn Tim auf die Tiny-Häuser spezialisiert. Die kleinen Alleskönner werden individuell gebaut, brauchen wenig Platz und wenig Rohstoffe. Wird der Wunsch nach ein paar weiteren Quadratmetern laut, kann mit einem Anbau abgeholfen werden. „Die Holzpreise sind extrem in die Höhe geschossen – aber im Wald ist der Preis nicht angekommen“, sagt Peter Hepperle. Aus diesem Grund haben er und sein Sohn die Stämme im Wald ausgesucht und sie zur Zimmerei gebracht. Es soll ein Kreislauf an Baustoffen geschaffen werden. „Diesen Anspruch haben wir an unsere Häuser: nichts wegwerfen, auch keine Reste“, sagt Peter Hepperle. Das ist bei Verbundstoffen schwierig, etwa bei Steinwolle oder Schaumdämmstoffen. „Die guten alten Baustoffe sind komplett in Vergessenheit geraten, das ist echt schade“, sagt der Zimmermann. Lehm, Stroh, Holz und Wolle wieder ins Bewusstsein zu rücken, das ist die Motivation für die Firmeninhaber, um am Nachhaltigkeitstag mitzumachen.