fbpx

Rückenwind für Tiny-Häuser

Rückenwind für Tiny-Häuser

Bei der Remstal-Gartenschau im vergangenen Jahr konnten ganz unterschiedliche Tiny-Häuser – mal verspiegelt, mal aus Holz – bestaunt werden Foto: Andreas Rosar/Archiv

Tübingen und Schorndorf kamen der neuen Wohnidee wegen jüngst schon in die Schlagzeilen. In der Universitätsstadt hat sich der Oberbürgermeister Boris Palmer für eine Idee des Vereins Mut zur Lücke starkgemacht. Der Vorschlag: Die Besitzer von 240 ungenutzten, theoretisch sofort bebaubaren Grundstücken sollten ermuntert werden, die Flächen 15 Jahre lang für die Belegung mit Tiny-Häusern zu verpachten. Tiny ist englisch und heißt winzig, es geht bei der Idee um das Wohnen auf kleinstem Raum. Die Stadt Schorndorf (Rems-MurrKreis) geht bei diesem Thema noch einen Schritt weiter. Sie stellt ein Grundstück explizit als Fläche für die alternative, den Zeitgeist widerspiegelnde Wohnform zur Verfügung. Seit Anfang September können sich Interessenten auf der Homepage der Stadt in eine Liste eintragen. Mit erstaunlichem Erfolg: Schon 148 Personen und Paare haben sich gemeldet, die ausprobieren wollen, ob sie mit dem minimalistischen und ressourcenschonenden Lebensstil klarkommen. Aber auch in anderen Städten der Region wächst die Bereitschaft, sich intensiver mit Tiny-Häusern zu beschäftigen. „Ich finde das eine tolle Wohnform“, sagt die Reutlinger Baubürgermeisterin Ulrike Hotz. „Wir sind dabei, im Stadtgebiet nach Flächen zu suchen, auf denen Tiny-Häuser stehen könnten.“ Demnächst mache man dem Gemeinderat dazu Vorschläge.

In Weilheim (Kreis Esslingen) denkt die Stadt, wie der Bürgermeister Johannes Züfle sagt, darüber nach, bei der Realisierung künftiger Wohnbaugebiete auch Tiny-Haus-Plätze in das Angebot aufzunehmen. Auch aus Sindelfingen im Kreis Böblingen kommen positive Signale: „Sollte sich der Wohntrend verfestigen, ist es vorstellbar, bei künftigen Baugebieten in Sindelfingen zur Diversifikation des Wohnungsmarkts Tiny-Houses zu berücksichtigen“, erklärt die Stadtsprecherin Nadine Izquierdo. Dabei müsste dann an eine gute städtebauliche Integration solcher Quartiere im Hinblick auf gemeinsam genutzte Nebenanlagen, Lager- und Stellplätze gedacht werden. Ein grundsätzliches Interesse an der Ansiedlung kleinster Häuschen signalisieren auch Ludwigsburg, Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) und Waiblingen. Aber die Rathäuser verweisen auf das Grundproblem des Ballungsraums. „Die Idee von Tiny-Häusern ist interessant“, sagt etwa der Waiblinger Baubürgermeister Dieter Schienmann. „Allerdings befinden wir uns in Waiblingen im Verdichtungsraum der Region und haben nur ein begrenztes Angebot an bebaubaren Flächen.“

“Erschwerend ist, dass eine normale
Baugenehmigung für Tiny-Häuser notwendig ist.“
Tim Hepperle,
Tiny-House-Entwickler

Daher verfolge die Stadt eher das Ziel, „an geeigneten Stellen verdichtete Bauformen umzusetzen, um dem steigenden Wohnbedarf gerecht zu werden“. Eva Roller, die Baubürgermeisterin von Leinfelden-Echterdingen, findet zwar, dass Tiny-Häuser „ein kostengünstiges und bedarfsgerechtes Wohnen bei maximaler Flexibilität“ darstellten. Bei einem Quadratmeterpreis auf den Fildern von zurzeit 1000 Euro und mehr für ein voll erschlossenes Baugrundstück, gibt Eva Noller zu bedenken, „relativieren sich diese Kosten aber erheblich“. Sie spricht damit gleich zwei Hemmschwellen an. Denn es sind nicht nur die hohen Bodenpreise, die viele Interessenten abschrecken. „Erschwerend kommt hinzu, dass man für Tiny-Häuser eine ganz normale Baugenehmigung braucht“, sagt Tim Hepperle verwundert. Vor drei Jahren hat Hepperle, der Sohn des für seine innovativen ökologischen Ideen bekannten Holzbauers Peter Hepperle in Neidlingen (Kreis Esslingen), zusammen mit seinem Vater für sein Studium in Biberach sein erstes Tiny-House fast ausschließlich aus Holz entworfen und verwirklicht.

Mittlerweile haben die Hepperles ihr Konzept überarbeitet und ein Muster-Tiny-House mit optimierter Dämmung aus Naturstoffen und sogar mit einer Fußbodenheizung und einem begehbaren Dach samt Dachbeet auf dem Hof stehen. Hepperles Tiny-Häuser werden nicht auf einem eigenen Gestell zu ihrem Standort gefahren, sondern per Tieflader transportiert – und dann auf Stützen abgestellt. „Da wird kein Boden versiegelt“, begründet Letzteres Peter Hepperle, der sich ein gewisses Entgegenkommen der Behörden für diese Form des Bauens wünscht. Große Hoffnung kann ihm Andrea Wangner, die Sprecherin des Landkreises Esslingen, in diesem Punkt aber nicht machen. Zwar sei es denkbar, für ein TinyHaus ein vereinfachtes Bauverfahren durchzuführen. Dabei trage aber der Antragsteller die Verantwortung dafür, dass die von der Baurechtsbehörde nicht überprüften Vorschriften – etwa zum Brandschutz – eingehalten würden. Ungeachtet dessen seien Tiny-HausBesitzer genauso wie die Bauherren eines Einfamilienhauses an die Vorgaben des Baugesetzbuches, der Landesbauordnung, örtlicher Bauvorschriften sowie Vorgaben des Bebauungsplans zur maximalen Gebäudehöhe, Geschosszahl und Dachform gebunden. Soll die Tiny-House-Idee tatsächlich eine Zukunft haben, müssen – wie in Schorndorf – die Städte also von sich aus aktiv werden.